Gestern im Supermarkt: Vor mir trifft ein junger Mann auf einen etwa gleich alten Mann. Ich schätze beide sind bummelig um die 30 Jahre.
Mann 1: „Hi, lange nicht gesehen. Wie geht es Dir?“
Mann 2: „Geht so, meine Mutter ist vor einer Woche gestorben.“
Dann war ich auch schon vorbei gelaufen. Und schon auf Höhe der Tiefkühlware geht mir der Gesprächsfetzen nochmal durch den Kopf. Mein Gott war das seltsam. Allerdings war es seltsam, weil die Antwort des Mannes nicht die übliche „ja, es geht ganz gut“ war. Sondern sie war ziemlich offensiv. Nicht viele Smalltalk-Gespräch im Supermarkt beginnen so. Aber warum empfinde ich das als seltsam?
Was der zweite Mann geantwortet hat war zwar ehrlich, aber war es auch das, was der fragende Mann erwartet hatte? Dann stellte sich mir die Frage: Wie funktionieren eigentlich Gespräche die man als ‚Smalltalk‘ betitelt.
Ehrlich gemeint oder nur der Beginn eines Smalltalks?
Wenn man jemanden trifft, den man schon lange nicht mehr gesehen hat oder den man nicht regelmäßig sieht, ist für die meisten Menschen die erste Frage beim Wiedersehen „Wie geht es Dir?“.
Häufig stelle ich mir dann die Frage, ist das ernst gemeint? Will die andere Person die Fragen wirklich ernsthaft beantwortet haben?
Und was passiert, wenn man wirklich mal antwortet: „Eigentlich geht es mir richtig schlecht.“ Meistens zielt die Frage „Wie geht es Dir?“ doch darauf ab, den besagten Smalltalk zu beginnen. Und selten erwartet man die Antwort „schlecht“.
Meine Behauptung: die wenigsten Menschen sagen offen und ehrlich direkt im ersten Satz wie es ihnen geht!
Ich habe keine empirische Studie durchgeführt oder gelesen, würde aber darauf wetten, dass auf diese Frage die meisten Menschen mit einem „Ach ja, ganz gut“ antworten. Egal wie die Situation wirklich aussieht.
Smalltalk ist kein Seelenstriptease
Denn die Antwort „Es geht mir ganz gut“ ist auch ein Stück weit Selbstschutz. Denn es gibt einfach Themen, da möchte man nicht drüber reden. Vielleicht mit dem engsten Vertrauten, aber nicht im Supermarkt zwischen Nudeln und dicken weißen Bohnen. Also sagt man „Alles gut und bei Dir?“. Und sind wir mal ehrlich, wenn man jemanden wieder trifft den man lange nicht gesehen hat, dann scheint es nicht unbedingt der engster Vertraute oder beste Kumpel zu sein.
Ich glaube jeder hat in so einem Fall dafür Verständnis, dass man nicht unbedingt alles jedem erzählt. Das muss auch gar nicht so sein und sollte vielleicht auch gar nicht sein. Aber diese Begegnung hat mich zu weiteren Gedankengängen in diese Richtung verleitet.
Ich habe bisher zwei Menschen in meinem Leben kennengelernt bei denen man tatsächlich immer das Gefühl hat, dass sie offen und ehrlich sagen was sie denken.
Und zwar immer!
Ohne Ausnahme.
Einen Spiegel vorhalten
Ich selber merke das Tag für Tag, dass ich mit jemandem der einem einfach genau spiegelt was er denkt oder fühlt, gelegentlich an meiner emotionalen Grenzen komme.
Und zwar in mancherlei Hinsicht.
Wenn man Menschen fragt: „Was erwartest Du von einem anderem Menschen?“ hört man sehr häufig: Ehrlichkeit.
Aber Ehrlichkeit, so wie wir das angeblich alle immer wollen, kann auch schwer zu akzeptieren sein und zu Konflikten führen. Denn wer hört schon gerne, nachdem er 4 Stunden in der Küche gestanden hat, dass an dem Gericht ein kleines Gewürz fehlt oder das noch nicht 100-prozentig abgerundet ist? Das ist sehr direkt, ja, aber ich persönlich finde es muss auch nicht immer sein. Natürlich ist diese grundlegende Ehrlichkeit eine Eigenschaft, die theoretisch beneidenswert ist. Denn alle Welt redet doch immer davon, dass man ehrlich zu einem anderen Menschen sein soll. Also bitte, dann tut es auch!
Seid doch mal ehrlich zueinander.
In jedweder Situation.
Und seht was mit Euch und Eurem Gegenüber geschieht.
Bei den beiden Menschen von denen ich gerade sprach, merke ich immer wieder, dass sie zwischendurch bei anderen Menschen anecken. Und das ist doch eigentlich sehr schade. Da gibt es Menschen, die genau das tun, was Menschen angeblich immer von anderen Menschen erwarten.
Und auf einmal ist es dann doch schwer mit dieser Ehrlichkeit auszukommen. Obwohl sie doch eigentlich nur das tun, was alle angeblich „erwarten“.
Ich sehe das bei mir selbst. Auch ich habe manchmal mit dieser sehr direkten Art so meine Problem. Klar, denn man bekommt seine Fehler oder kleinen Missgeschicke sofort gespiegelt. Es ist ein Leichtes in dieser Situation zu denken: „Die Aussage ist grundlegend ehrlich, aber man hätte sie auch verschweigen können.“.
Ich schwanke
Man merkt also, ich schwanke zwischen: ich finde das richtig cool und total seltsam bis erschreckend. Aber es ist auch irgendwie etwas Wertvolles, von dem Menschen gegenüber eine 100-prozentig ehrliche Antwort zu bekommen.
Zugegeben, nicht immer gefällt einem das Feedback. Aber es ist ein Feedback, mit dem man im Nachhinein wahrscheinlich viel anfangen kann. Ich schätze es, wenn die Menschen ehrlich zu mir sind. Auch wenn es gelegentlich etwas verletzt.
Allerdings glaube ich auch, dass das Leben mit 100%ig ehrlichen Meinungen und Vorstellungen nicht funktionieren würde. Ich glaube, wenn alle auf kleine Notlüge und Schwindeleien verzichten würden, gäbe es ein großes Chaos. Politisch, wirtschaftlich und in der eigenen sozialen Umgebung unter Garantie auch. Demnach mein
Fazit
Ehrlichkeit währt am längsten!!!
Aber zwischendurch mal die Klappe halten und nicht alles aussprechen was man gerade denkt, hilft im sozialen Leben miteinander ungemein. Denn der Mensch ist nicht dafür gemacht, die ungeschminkte Wahrheit immer und überall zu erfahren.
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