September 2012. Der Weg führt in ein kleines Dorf, Krusendorf
Vorbei an 3 Felder, läuft man auf eine Lichtung zu. Rechts Wald und Feld, links die steile Klippe zur Ostsee hinunter. Auf der Lichtung steht ein großes Zelt, ein Container und zwei Bagger. Hier befindet sich mitten auf der Lichtung eine Ausgrabung der Archäologen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
An diesem Ort stand eine Kirche, die bis ins 18. Jahrhundert hinein genutzt wurde. Nachdem sie durch ein Feuer wahrscheinlich komplett zerstört wurde, verließ man auch den Ort an der Küste. Die Kirche war bis dahin durch ihre einzigartige, erhöhte Lage ein Anhaltspunkt für Seefahrer und ein wichtiges Detail auf der Seekarte. Nach dieser Kirche konnte man sich richten.
Jetzt sind die Archäologen da und gucken, was von der Kirche noch erhalten ist
Die ersten Tage bleiben ruhig, man findet die alten Gemäuer, den Chor, den Chorbogen, einige Ziegel und die Strukturen der Kirche. Am dritten Tag erkennt man, was der Bagger zu Beginn eigentlich noch freigelegt hat. Einen Teil eines Sklettes. Bestattet in der Kirche, in weniger als einem Meter Tiefe lagen Knochen die vom Bagger zum Teil zerstört wurden. Und das erschreckende, keiner fand es moralisch / ethisch verwerflich, sich davor zu stellen und zu glotzen und zu überlegen, wie man das am besten jetzt wieder zusammensetzt.
In den weiteren Tagen kamen immer mehr menschliche Knochen ans Tageslicht
Am Anfang, wenn man selber an einem Skelett buddelt, dann ist es noch komisch, abgefahren, interessant und mit einem gewissen Nervenkitzel verbunden. Nach einigen Tagen habe ich mich selber dabei erwischt, wie ich in der einen Hand einen Schädel und in der anderen Hand mein Frühstücksbrot hielt. Das war der Moment, in dem es mich geschüttelt hat. Dieses in meiner Hand, war mal ein Mensch. Warum haben wir so wenig Respekt davor? Ja, das Skelett ist über 300 Jahr alt, aber warum hat man dabei weniger Skrupel als vor einem Leichnam, der erst seit 10 Jahren in der Erde liegt. Dazu gibt es viele Theorien.
Für mich bleibt beim Auffinden und Ausgraben von Menschenknochen ein seltsames Gefühl. Ich weiß nicht, wie es den Kollegen geht, aber Knochen und gerade Kindergräber, machen mir bewusst, wie vergänglich der Körper und das Leben ist. Ich bin gerne Archäologin und ich bin gerne auf Grabungen. Neben der Keramik, Münzen und Metall kann ich aber Menschenknochen auch nach 3 Jahren Erfahrung nicht einfach ausbuddeln und die Umstände einfach wegschieben.
Vor 41 Tagen haben wir Ostern gefeiert. Das Fest des Herrn. Die Auferstehung. Das Highlight der Christenheit. Gestern war Christi Himmelfahrt. Die Auffahrt Jesu zu seinem Vater. Im Anblick meiner Arbeit habe ich mir letztens vorgestellt, was wäre, wenn Jesu nicht aufgefahren wäre. Würde es unsere Theologie heute verändern?
Ja. Definitiv. So wie der Lauf der Geschichte war, so ist er genau richtig. Gott hat sich schon was dabei gedacht, als er Jesus zu sich holte. Wenn ich mir vorstelle, wie Archäologen mit den Gebeinen Jesu umgehen würde, bekomme ich eine Gänsehaut und verwerfe den Gedanken lieber ganz schnell.
So wie es geschehen ist, so ist es schon recht. Und so können wir den Feiertag begehen mit dem Wissen, dass Gott uns seinen Sohn an die Hand gab und er immer bei uns ist. Auch wenn Jesus nicht bei uns ist, so ist er doch bei uns.
Amen.
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