Ich war zuletzt mehrere Wochen durch eine Kehlkopfentzündung gezungen, nicht zu reden. Beziehungsweise wenn überhaupt nur zu flüstern.
Viele Menschen in meinem Umfeld waren nun der Meinung, es müsse doch sehr schwer für mich sein, so lange und konstant zu schweigen.
Ich gebe zu, es ist für mich sehr ungewöhnlich, wenn ich nicht viel rede. Normalerweise rede ich relativ viel, ja, da ist auch viel Quatsch dabei – also im Sinne von Scherzen und Rumblödeln.

Aber es fiel mir bei Leibe nicht schwer!

Ich habe die Situation nach einiger Zeit regelrecht genossen, nicht reden zu dürfen und damit aus der Pflicht genommen zu werden, auf irgendetwas zu antworten. Meistens konnte ich mit eindeutigen Handzeichen oder gerne auch mit Blicken alles regeln. Viele Worte brauchte ich dabei nicht verlieren. Ich habe es genossen, dass die Erwartungen der anderen eben nicht diese waren, dass ich zu einem Thema etwas sage.

Und im Rückblick muss ich sagen schreiben, die Zeit hat mir sehr gut getan. Sich von außen verschiedene Gespräche anzuhören. Einfach mal Mäuschen sein. Und nachdem ich jetzt vor einigen Tagen meine Stimme wiedergefunden habe fällt mir auf, dass ich nicht nur verbal ruhiger war, sondern auch mein Inneres, meine Gedanken, mein Alltag deutlich ruhiger war. Ich habe mich in der Zeit fast gar nicht aufgeregt, nicht geärgert, im wahrsten Sinne des Wortes – kein böses Wort verloren.

Die Erwartungshaltung

Vielleicht sollte ich das einfach so beibehalten. Jetzt kommen einige wieder an und sagen: ja, das wird Dir aber schwer fallen. – Ja, in manchen Situationen vielleicht. Aber vielleicht muss man sich auch nicht immer der Erwartungshaltung der anderen Beugen. Vielleicht sollte man häufiger mal sagen: „Ich möchte darüber jetzt nicht reden„.
Ich behaupte, dass viele die mich kennen mittlerweile die Erwartungshaltung haben, dass ich viel rede. Denn sobald ich an einem Tag etwas ruhiger bin, kommen umgehend Nachfragen ob es mir gut ginge, ob mich etwas bedrücken würde oder ob man mir etwas getan hätte. – Nein, alles nicht.
Ich habe manchmal einfach keine Lust zu reden. Für manche unvorstellbar (das erkennt man ziemlich schnell an der Reaktion auf meine Antwort), aber es ist manchmal so. Meistens gebe ich mich aber der Erwartungshaltung hin und erzähl trotzdem was ich denke. Ich werde das einfach abstellen und eben nicht mehr so viel preisgeben, wenn ich dazu keine Lust habe.

Man könnte das also theoretisch als zweite Challenge nach der „ich-steige-bei-WhatsApp-aus“ Aktion sehen. Mal sehen wie das mein Leben verändern wird. Ich denke, ich persönlich kann davon nur profitieren. Aber es wird auch spannend sein zu sehen, wie mein Umfeld darauf reagiert, wenn Sie häufiger den Satz „Ich möchte darüber jetzt nicht reden“ hören. Wahrscheinlich werden viele verschiedene Reaktionen daraufhin kommen. Man darf gespannt sein.

Abschließend möchte ich noch erwähnen was für mich wirklich schlimm zu ertragen war, während ich nicht reden durft: Ich konnte beim hören von Musik nicht mitsingen. Das hat mich tausendmal mehr Überwindung gekostet als nicht meine Meinung sagen zu können!

Die Drei Siebe des Sokrates

Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte: „Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen!“

Halte ein!“ – unterbrach ihn der Weise, „Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“

Drei Siebe?“, frage der andere voller Verwunderung.

Ja guter Freund! Lass sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?“

Nein, ich hörte es erzählen und…“

So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst gut?“

Zögernd sagte der andere: „Nein, im Gegenteil…“

Hm…“, unterbracht ihn der Weise, „So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?“

Notwendig nun gerade nicht…“

Also“ sagte lächelnd der Weise, „wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.“