In der ersten Zeit ohne WhatsApp musste ich ziemlich häufig erklären, warum ich kein WhatsApp mehr habe. Einigen habe ich es erzählt weil Sie meinten, sie melden sich dann via WhatsApp, andere merkten meine Abwesenheit, weil ich auf Chatnachrichten nicht mehr geantwortet habe. Und ohne jetzt zu übertreiben: 90 % der Menschen denen ich sagte, ich sei nicht mehr bei WhatsApp, fragten mich daraufhin mit einem gewissen Nachdruck, warum ich das tue, das hätte doch heute jeder und man bräuchte das dringend.
Häufig habe ich völlige Verständnislosigkeit in dieser Aussage gespürt. Einigen habe ich versucht zu erklären, warum ich kein WhatsApp mehr habe. Andere hab ich einfach auf meinen Blog verwiesen.
Am Anfang fiel es mir schwer das in Worte zu fassen. Mittlerweile ist es immer noch recht kompliziert, aber ich kann es zumindest beschreiben. Es hat einfach was mit soziale Kontrolle und Erwartungshaltung zu tun. Beziehungsweise damit, dass die Menschen regelrecht erwarten, dass man ganz selbstverständlich auch diese eine App von der einen bestimmten Firma hat. Es gibt eine Erwartungshaltung zu dem Thema!
Datenschutz und so
Ich will gar nicht auf das Datenschutz-Ding hinaus. Da brauchen wir uns glaub ich nicht lange zu streiten. Selbst wenn Facebook verspricht, dass sie die Bilder und Nachrichten nicht lesen, heißt es noch lange nicht, dass sie das auch nicht tun.
Abgesehen davon, dass man das Recht am eigenen Bild abgibt, sobald man ein Profilbild hochlädt. Ich sag das nochmal ausdrücklich:
WhatsApp / Facebook behält sich vor, die hochgeladenen Profilbilder der User für eigene Werbemaßnahmen zu nutzen. Und zwar für Werbung oder zur Weitergabe an Dritte. Also wenn ihr demnächst Euer Profilfoto mit eurem Schatzi auf einer Großleinwand in der Innenstadt sehen wollt: büdde 😛
Also, das Datenschutz-Ding ist natürlich auch mega Mist. Gut, aber da regt sich nun keiner mehr drüber auf. Ist ja auch ein alter Hut und Facebook setzt das wahrscheinlich / vielleicht / möglicherweise / „also kann schon sein“… nie um.
Immerhin gehört WhatsApp noch Facebook und wie wir alle wissen streuben die sich immer noch dagegen den User vernünftig zu schützen. Nun ja, sei’s drum. Das ist natürlich auch ein Grund aus dem Verein auszutreten.
Aber nicht mein Hauptgrund.
Erwartungshaltung
Bei mir geht es um soziale Verpflichtungen, die von einem regelrecht erwartet werden. Die Tatsache, dass man sich heute rechtfertigen muss, weil man ein ganz bestimmtes Programm nicht auf dem Handy hat, was das Leben doch so unglaublich vereinfachen würde, triggert mich so sehr an, dass ich mich einfach dagegen wehren möchte.
Natürlich ist WhatsApp schön einfach wenn es darum geht, mit mehreren Personen ein Essen an einem bestimmten Tag zu planen. Wo geht man hin, wer kommt mit, wann gehen wir los. Natürlich ist das einfacher und schön angenehm. Aber der Nachteil an dieser Einfachheit, ist doch ganz klar die Tatsache, dass man gleichzeitig auch dazu angehalten wird, sich daraufhin zu melden und natürlich seine Meinung kund zu geben. Und genau dieser Erwartungshaltung möchte ich gerne entgehen.
Nein nicht entgehen!
Ich denke das dieses Verhalten für das tägliche Leben nicht zuträglich ist!
Auch ohne WhatsApp pflege ich meine sozialen Kontakte und treffe mich mit Freunden. Ganz ohne das vorher lange bei WhatsApp ausdiskutiert zu haben. Ein Telefonat – fertig. Ganz entspannt.
Meine Lebenszeit ist einfach zu kurz um lange hin und her zu schreiben. Und ich habe nicht mehr den ständigen Stress, zu denken: hat mir jemand geschrieben, muss ich irgendwo drauf antworten. Und genau das ist der Punkt der wirklich schön ist.
In dem Buch das ich gerade lese (Markus Barth – Zwanzigtausend Reiseleiter), ging es in ein paar Sätzen um das Pilgern nach Santiago de Compostela. Da war die Aussage, dass viele Menschen auf dem Weg nach Compostela mit Kopfhörern und Musik auf den Ohren unterwegs sind oder gar mit dem Handy vor der Nase durch Spanien laufen. Ich hatte immer schon mal vor zu pilgern. Und ich habe mir gestern vorgenommen, sollte ich das in den nächsten Jahren endlich mal in Angriff nehmen, denke ich ernsthaft darüber nach, mein Handy zu Hause zu lassen. Sechs Wochen komplett Handy frei durch Frankreich und Spanien. Immerhin kann man noch Postkarten schreiben. Mein Gott, wir sind früher drei Wochen nach Italien, Ungarn oder Jugoslawien gefahren OHNE ständig mit zu Hause zu texte, schreiben oder telefonieren. Stellt Euch vor (oder denkt mal an die Zeit zurück), da ist man dann einmal die Woche zu einer Telefonzelle gelaufen und hat bei Oma zu Hause angerufen, ob sie auch regelmäßig die Fische gefüttert hat 😀
Sowas wünsche ich mir wieder
Und ich habe halt angefangen, mein Leben wieder ein wenig mehr offline zu gestalten. Und oh wunder: es klappt. Probiert es doch mal aus. Einfach mal ne Stunde spazieren gehen und das Smartphone zu Hause lassen.
Das klappt schon?
Sehr gut.
Dann machen wir mal einen Tag ohne Smartphone. Oder wer es sanfter angehen lassen will: ladet Euch die App „Forest“ herunter und überprüft, ob ihr es mehrere Stunden ohne Handynutzung aushaltet.
Eine kurze Erklärung zur App:
Man kann einen Zeitraum zwischen 10 und 120 Minuten angeben, in dem man das Handy nicht nutzt und zur Seite legt. Je nachdem wieviel Zeit man eingibt, desto größer und schöner wird der Baum der nachher gepflanzt wird. Und am Ende des Tages, der Woche und des Monats sieht man, wieviel Bäume und in welcher Größe man diese gepflanzt hat.
Und jetzt heißt es: Challange accepted! Wer schafft es wie lange.
Und wenn ihr es nichtmal eine Stunde aushaltet, nicht auf Euer Smartphone zu sehen, dann macht Euch bitte mal Gedanken über Abhängigkeiten, Verpflichtungen und soziale Zwänge…
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