Wuppertal den 10.09.2017, Motorradgottesdienst, Kirche auf dem Oelberg

 

Liebe Gemeinde,

seit einigen Monaten weiß ich, dass heute der Motorradgottesdienst ist. Also habe ich mir vor einiger Zeit um das Thema Gedanken gemacht. Und so richtig fiel mir erstmal nichts ein.
Und dann fuhr ich vor einigen Wochen mit dem Motorrad zum Segeln nach Ratzeburg. Es war ein Freitag und ich stand eine etwas längere Zeit im Stau. Danach kam die freie Autobahn. Und in diesen zwei Stunden hatte ich super Ideen. Mein Kopf war voll von schönen Dingen die ich im Gottesdienst erwähnen möchte. Ich hatte schon fast eine ganze Predigt im Kopf geschrieben. Als ich das Ortseingangsschild von Ratzeburg passiert ist in meinem Kopf: das musst Du gleich aufschreiben, das ist toll.

Ich komme am CVJM Haus an, steige vom Motorrad, gehe in den Hafen und was passiert? Alles weg. Als ich abends aufschreiben will, was ich mir zurecht gedacht hatte, weiß ich nur noch, um welches Thema es ging: Freiheit und Freundschaft beim Moped fahren. Mehr ist nicht hängen geblieben.

Und es ist kaum zu glauben, aber das ist mir bisher nicht nur auf dem Weg nach Ratzeburg so passiert, sondern ich habe schon ganze Einkaufszettel und to-do Listen in Gedanken geschrieben. Tja, dann steht man bei Aldi und weiß nicht mehr was diese verflixte 4. Zutat war.

Aber wie kann sowas denn sein?

Ich kann mir das nur so erklären: Auf dem Motorrad habe ich den Kopf frei. Hier kann ich in Ruhe nachdenken. Um Euch jetzt alle zu beruhigen: ich achte natürlich grundlegend auf den Verkehr. Aber es gibt Situation da kann man mal mit den Gedanken etwas abschweifen.

Und die Motorradfahrer unter Euch werden wissen was ich meine. Man setzt den Helm auf und wer einen guten Helm hat, der hört dann erstmal nichts. Stille. Wenn ich in der lauten City auf das Moped steige ist erstmal Stille. Selbst die laute Umgebung verstummt. Wow. Gut, wenn man jetzt sein Moped anschmeißt und losfährt hat man dann schon noch ein wenig Fahrgeräusche. Aber das gehört ja so.

Aber genau das ist ein wichtiger Punkt beim Motorrad fahren.

Ich habe einen Ort der Stille, obwohl alles um mich herum laut ist. Man kann auf dem Motorrad mit sich allein sein. Man kann nachdenken und man wird eben nicht von allen Seiten beschallt. Und neben der schönen Tatsache mal mit sich allein sein zu können, habe ich beim Motorradfahren auch die Möglichkeit mit Gott ins Gespräch zu gehen. Und das meine ich genauso wie ich es sage. Man braucht nichts formuliere wie: „Herr, ich komme zu Dir trallala.“ Sondern auf dem Motorrad erzählt man Gott einfach, was einem gerade durch den Kopf geht. Und das kann gerne mal über einige Minuten gehen. Dann kann man erzählen, was und wie lange man will. Man kann im Gebet ganz ungezwungen sein. Es quatscht einem auch keiner rein. Im Helm ist es ja relativ ruhig.

Vielleicht kennt das der eine oder andere. Der Tag auf der Arbeit lief eher mäßig. Und meine Grundstimmung ist jetzt auch nicht gerade auf ihrem Höhepunkt. Und um all das zu vergessen setzt man sich auf seine Maschine und fährt einfach ein paar Kilometer. Man kommt mal aus dem Alltagstrott raus. In solchen Momenten ist das Motorradfahren wie ein Rückzugsort. Ein Rückzugsort der von mir selbst gewählt werden kann. Ich habe immer die Möglichkeit mir selber auszusuchen, wo ich hinfahre. Wenn ich nach der Arbeit in Kiel auf das Motorrad steige und mir viele Dinge im Kopf umher gehen, fahre ich los. Und für mich stellt sich dann nur die Frage: fahre ich jetzt an die Nordsee oder bleibe ich an der Ostsee? Wo ich langfahre? Das entscheide ich, wenn ich an der Kreuzung stehe. Und wo ich dann nach 1-2 Stunden meinen Kaffee trinke das entscheidet sich wenn ich vor dem Café stehe. Ob das nun in Flensburg, Husum oder Lübeck ist, dass weiß ich beim Losfahren auch noch nicht. Die Hauptsache ist: ich fahre. Ich kann mich an der schönen Landschaft erfreuen die an mir vorbeifließt. Hier kann man gedanklich loslassen.

Das bedeutet Freiheit.

Jeder hat bei solchen Touren die Freiheit sich zu überlegen wo er gerne hin möchte. Oder man hat die Freiheit sich einfach treiben zu lassen.

Sehen wir uns als Beispiel eine Gruppe von Mopedfreunden an. Die Jungs planen einen gemeinsamen Urlaub mit dem Motorrad. Sie wissen vorher: wir fahren ans Nordkap. Die Termine die im Vorhinein feststehen sind die Überfahrt mit den Fähren und vielleicht noch der Tag an dem sie am Nordkap ankommen wollen. Eingeplant sind 3 Wochen.
Und alles was zwischen der Ankunft in Norwegen und der Abfahrt nach Deutschland an Strecke zurückgelegt werden soll ist nicht geplant. Wie schön ist doch die Freiheit sagen zu können: wir fahren morgens los und suchen uns die richtige Richtung – im besten Fall Richtung Norden. In welchem Hotel oder Pension wir heute Nacht schlafen ergibt sich dann schon. Das ist Freiheit.

Und diese Beispiel zeigt noch etwas zweites. Motorradfahren verbindet. Motorradfahren verbindet Menschen. Es entstehen Freundschaften. Oder Freundschaften werden gestärkt. Genauso war es bei einem Freund und mir. Wir haben uns vor einigen Jahren beim Segeln kennengelernt. Damals wohnte ich noch in Wuppertal. Und besagter Freund hat ein paar Tage nach dem Segeln eine CD bei mir an zu Hause abgeholt, natürlich mit dem Motorrad. So kamen wir auf das Thema Motorrad. Ihr könnt es jetzt glaubt oder nicht: wir haben 2 Stunden draußen im Regen gestanden und geredet. Über ein gemeinsames Hobby. So ist unsere Freundschaft entstanden. Und wir sind unter Garantie nicht die Einzigen denen das so ergangen ist.

An einem 60. Geburtstag eine Motorradfahrers. Es gab viele liebevoll vorbereiteten Aktionen. Unter anderem sollten alle Freunde des Geburtstagskindes nach vorne kommen die mit ihm Motorradfahren. Von 70 eingeladenen Gästen trafen sich über 20 Menschen auf der Bühne.

Und dazu kann ich nur sagen: Motorradfahren verbindet Menschen und schafft Freundschaften. Wir haben alle ein gemeinsames Hobby dem wir macnhe häufiger oder manche auch seltener nachgehen. Und durch Zusammensetzungen der Gruppen lernt man immer auch immer wieder neue Menschen kennen. Motorrad fahren verbindet und kann auch zu neuen Bekanntschaften führen.

So ist man nicht nur im Alltag sondern auch auf der Straße eine Gemeinschaft. Und zwar eine Gemeinschaft die sich generell grüßt und auf Treffen immer duzt. Für alle nicht Motorradfahrer hier eine kurze Erklärung: es ist Gang und Gebe, dass wenn sich zwei Motorradfahrer auf der Straße begegnen, sie sich grüßen. Man streckt kurz den linken Arm heraus um anzuzeigen dass man den anderen gesehen hat. Manchmal reicht auch ein Kopfnicken.
Ursprünglich entstand das Zeichen zur Kennzeichnung einer freien Straße. Sowie, dass kein Stau, Polizist oder Radarfalle kommt. Heute ist es ein schöner Brauch der einem immer verdeutlicht, wie viele wir eigentlich sind. Denn wenn man an einem sonnigen Sonntag durch die Berge fährt, hat man beim grüßen doch recht viel zu tun.
Ich würde schätzen, 90% der Motorradfahrer grüßen sich wenn sie auf dem Moped sitzen.

Für alle die nicht Motorrad fahren: achtet mal darauf wenn ihr das nächste Mal ein Motorradfahrer vor euch habt.

Und wo wir gerade bei den guten Tipps sind: geht mal an Orte wo sich Motorradfahrer treffen. Hier in der Nähe ist der Baldeney See ein sehr großer Treffpunkt. Egal wer hier von seinem Motorrad steigt der Umgang miteinander ist herzlich und freundlich. Und es ist selbstverständlich, dass sich Motorradfahrer untereinander duzen.
Und wenn sich 150 Menschen an einer Imbissbude treffen und keiner den anderen kennt, sich aber trotzdem jeder duzt dann ist das etwas Faszinierendes.
Auch wenn man sich noch nie gesehen hat und vielleicht auch nie wieder sieht. Auch wenn man vielleicht total verschiedene religiöse, politische oder wirtschaftliche Ansichten hat, man geht trotzdem höflich und freundlich miteinander um und respektiert den anderen.

Das ist ein Phänomen was ich bisher selten erlebt habe.

Motorradfahrer sind eben eine besondere Spezies. Und das dürft ihr jetzt gerne sowohl positiv als auch negativ betrachten. Denn manche Motorradfahrer als auch einfach nur totale Idioten. Aber so ist es immer: es gibt überall schwarze Schafe. Hauptsache ist nur, dass die weißen Schafe überwiegen.

Manche können das Freiheitsgefühl anscheinend nur spüren, wenn sie ihren Adrenalinspiegel in die Höhe treiben. Ich persönlich kann dazu nur sagen, dass das arme Schafe sind.

Denn obwohl das hier ein Motorradgottesdienst ist, ist das Motorrad fahren natürlich nicht die einzige Tätigkeit im Leben, in der man Freiheit spüren kann.

Der eine empfindet es als befreiend wenn er allein im Garten sitzt und nachdenken kann. Der andere geht gerne in die Sauna. Und ein Dritter sitzt gerne auf dem Segelboot und spürt bei 5 Windstärken auf der Kante die Freiheit sein Boot dahin zu lenken wo er hin möchte.

Ich wünsche jedem, dass er einen Rückzugsort hat. Einen Ort, wo man Freiheit erleben kann. Wo man spüren kann, dass man in keine Rolle gezwungen wird oder wo etwas von einem erwartet wird.
Wo man denken kann was man möchte. Und dabei vielleicht auch einfach mal in Ruhe gelassen wird.

Und ich wünsche jedem auch einen Ort, wo man seine Gedanken sagen kann. Wo man die Freiheit hat zu sagen und zu denken was man möchte. Ohne verurteilt zu werden.

Denn so tut es auch der Herr. Er hört sich an, was wir zu sagen haben. Er verurteilt uns nicht! Wir haben die Freiheit bei Gott alles zu sagen was wir denken. Und es ist uns die Freiheit gegeben so zu sein wie wir wirklich sind. Wir müssen uns diese Freiheit nur nehmen.
Gott schuf uns so wie wir sind. Und obwohl wir alle total verschieden sind hat jeder die Freiheit so zu sein und so zu leben wie er es möchte. Und Gott gibt uns alle Freiheiten dazu! Er zwingt uns in keine Rolle. Er zwingt uns keine Gedanken auf. Er zwingt uns nicht, Dinge zu tun die wir nicht tun wollen. Bei ihm können wir frei sein und Freiheit spüren.

Denn der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. 2. Korinther 3, 17.

Amen.

 

 

 

 

 

Segen

Es sei auf all unseren Wegen, der Herr ein guter Hirte,

vor uns, bei uns und in uns.

Er führe uns auf guten Straßen und auf gutem Asphalt in schönen Kurven.

Er bewahre uns vor schlüpfrigen Strecken

und führe uns sicher durch dunkle Täler.

Er erhalte uns eine gesunde Furcht und großen Respekt vor den Kräften des Lebens.

Er schenke unserer Gemeinschaft untereinander Tiefe, unseren Familien Frieden und Liebe.

Und unseren Seelen schenke er die ruhige Gelassenheit im Wissen, bei Gott eine ewige Heimat zu haben.

So segne uns der allmächtige und barmherzige Gott,

der Vater, der Sohn und der heilige Geist

und der Gott aller, die unterwegs sind.

Amen.

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