Der Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel hat 2008 im Interview mit der WirtschaftsWoche gesagt, dass wir „rund 20 000 Entscheidungen täglich treffen…[], die meisten davon blitzschnell.“
Halten wir mal fest: das sind sehr viele. Angefangen damit, ob man sofort aufsteht oder vielleicht doch erst in 3 Minuten, wenn das Lied im Radio zu Ende ist. Weitere Entscheidungen fallen auf das Frühstück, ob und wenn ja, was. Und welches Brot isst man dann zuerst? Das gesunde mit Käse oder das mit Nutella? (ich nehme ja immer das Beste zum Schluss: als erst den Käse, dann die Nutella 😉 )
Was ziehe ich an?
T-Shirt oder Pulli? Beides? Lange oder kurze Hose? Und wenn ja, welche? Welche Schuhe passen dazu?
Trinke ich heute morgen den Schwarzen- oder den Kamillentee zuerst?
Und wieviel Honig kommt überhaupt in den Tee?
Jeder Mensch lernt schon früh, dass er viele kleine und große Entscheidungen treffen muss. Es scheint, als bestehe das Leben aus Entscheidungen. Und ganz abstreiten kann man das wohl auch nicht. Denn auf jede Entscheidung folgen weitere Entscheidungen. Oder ein eindeutiges Feedback der Außenwelt. Wenn ich zum Beispiel morgens entscheide keine Jeans, sondern nur Unterwäsche zur Arbeit anzuziehen, dann wird das unweigerlich eine Reaktion meiner Kollegen nach sich ziehen. Und ich denke auch mein Vorgesetzter könnte ob der Lage etwas verwirrt sein und mir dazu raten meine Entscheidung zu überdenken.
Wenn kleine Entscheidungen im Alltag schon solche Feedbacks nach sich ziehen, wie ist es dann mit den großen Entscheidungen?
Wie geht es nach dem Abitur weiter?
Wenn man studieren will, was will man machen?
Bleibt man dafür bei Mutti wohnen oder versucht man sein Leben allein zu führen?
Könnte die andere Person der Partner / die Partnerin fürs Leben sein?
Frage ich den anderen ob er / sie mich heiraten will?
Oh, mein Partner / meine Partnerin hat mich gefragt ob ich ihn / sie heiraten will. Will ich das?
Wollen wir Kinder?
Wollen wir in der 3 Zimmerwohnung bleiben oder ein Haus kaufen?
In der Stadt oder auf dem Land?
Die großen Entscheidungen im Leben sind, meines Erachtens, nicht einfach zu fällen. Wie auch. Entscheidungen beeinflussen das gesamte weitere Leben. Wie kann man dann „mal eben schnell“ etwas so Wichtiges entscheiden?
Denn einige Entscheidungen schmeißen das gesamte Leben um. Sie bedeuten manchmal, alles was man sich bisher aufgebaut hat, hinter sich zu lassen und neu anzufangen.
Aber wie geht man mit diesen Entscheidungen um? Wie kommt man zur richtigen Entscheidung. Welchen Weg geht man bis dahin?
Manchmal ist es ganz einfach und der richtige Weg scheint vor einem vor den Füßen zu liegen.
Und dann gibt es die Entscheidungen, die schwer zu treffen sind.
Ich bin niemand, der jedes Mal die Bibel aufschlägt um eine Antwort auf meine Frage zu finde. Aber letztens hat ein Freund mir die Geschichte von Gideon wieder ins Gedächtnis gerufen:
Gideon und der Vlies
Vorausgegangen zu diesem Text sind Kapitel in welchen Gideon zum Richter Israels ernannt wird. Gott setzt Gideon als Anführer eines 32 000 Mann starken Heeres ein. Die Gegenpartei ist jedoch mit 120 000 Mann deutlich stärke. Trotzdem möchte Gott, dass Gideon mit seinem Heer loszieht. Und so wendet sich Gideon an Gott:
33Als nun alle Midianiter und Amalekiter und die aus dem Osten sich versammelt hatten, zogen sie herüber und lagerten sich in der Ebene Jesreel. 34 Da erfüllte der Geist des HERRN den Gideon. Und er ließ die Posaune blasen und rief die Abiësriter auf, ihm zu folgen.35 Und er sandte Botschaft zu ganz Manasse und rief sie auf, dass auch sie ihm folgten. Er sandte auch Botschaft zu Asser und Sebulon und Naftali; die kamen herauf, ihm entgegen.
36 Und Gideon sprach zu Gott: Willst du Israel durch meine Hand erretten, wie du zugesagt hast, 37 so will ich abgeschorene Wolle auf die Tenne legen: Wird der Tau allein auf der Wolle sein und der ganze Boden umher trocken, so will ich daran erkennen, dass du Israel erretten wirst durch meine Hand, wie du zugesagt hast. 38 Und so geschah es. Und als er am andern Morgen früh aufstand, drückte er den Tau aus der Wolle, eine Schale voll Wasser! 39 Und Gideon sprach zu Gott: Dein Zorn entbrenne nicht gegen mich, wenn ich noch einmal rede. Ich will’s nur noch einmal versuchen mit der Wolle: Es sei allein auf der Wolle trocken und Tau auf dem ganzen Boden. 40 Und Gott machte es so in derselben Nacht, dass es trocken war allein auf der Wolle und Tau überall auf dem Boden.
Das Buch der Richter 6, 33-40
Genau gelesen, kann man den Text so zusammenfassen: Gideon hat die Signale Gottes erkannt, gedeutet und befragt ihn, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Und Gott antwortet: „Ja Gideon, du hast die richtige Entscheidung getroffen“.
Bzw. ganz genau gesagt, hat Gideon nicht mal selbst die Entscheidung getroffen, sondern Gott hat sie im Vorhinein für ihn getroffen indem er ihm offenbart hat, was er mit Gideon vor hat. Vers 34 – Da erfüllte der Geist des HERRN den Gideon.
Gideon sichert sich also nur nochmal ab. Er selbst scheint an der Entscheidung zu zweifeln. Denn warum sollte er Gott sonst nach dem ersten sehr eindeutigen Zeichen – der Vlies voll Tau – noch um ein weiteres Zeichen bitten? Es scheinen Zweifel an ihm zu nagen, ob das Vorhaben ein Gutes ist. Aber mit dem zweiten, wieder sehr eindeutigen Zeichen, sagt Gott: Ja, es ist mein Wille, dass du tust wie ich dir aufgetragen habe.
Oh, Du glücklicher Gideon
Ein eindeutiges Zeichen, welche die richtige Entscheidung ist, das ist doch das, was wir uns in unserem heutigen Leben auch wünschen, oder?
Wenn einem die schwere Entscheidungen abgenommen werden würden. Aber was wäre dann mit unserem freien Willen? Könnten wir dann noch mit Recht behaupten, dass wir einen freien Willen hätten? (Ich denke nein)
Also muss man Entscheidungen doch selber treffen. Wenn man Gott nicht direkt um Hilfe bitten möchte, was kann man dann tun? Häufig hab ich in letzter Zeit Menschen von einer Pro- und Contraliste reden hören. Wenn man danach geht, kann man eine schön rationale Entscheidung treffen. Aber ist es dann auch die Entscheidung, die man treffen möchte? Ist es das, was das Herz möchte? Oder das, was der Verstand einem sagt?
Wie werde ich entscheiden?
Ich stehe gerade selber vor einer Entscheidung, die mein ganzes Leben auf den Kopf stellen kann. Egal für was ich mich entscheide. Entweder ich werde mich für die eine Seite entscheiden, dann werde ich fast alles in meinem Leben umkrempeln, was aktuell mein Leben bestimmt. Entscheide ich mich für die andere Seite, könnte ich die Entscheidung mein Leben lang bereuen.
Es ist ein Abwägen zwischen Herz und Verstand. Während das Herz schreit: „Tue es nicht!“ sagt der Verstand das Gegenteil: „Du wärst total bescheuert, wenn Du die Chance nicht ergreifst, mach das!„
An mir zerren seit einigen Wochen zwei Seiten. Eigentlich weiß ich, was das einzig Vernünftige wäre. Ach wie sehr wünschte ich mir jetzt ein klares Zeichen Gottes. Ob ich meinen Vlies ausrollen sollte, wie Gideon es tat?
Stufen – Hermann Hesse
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Im Laufe meines Lebens gab es immer wieder Schnittpunkte sich zu entscheiden, in welche Richtung man geht. Es ist bis heute so, dass ich gerne wüsste, was aus mir geworden wäre, wenn ich mich an der einen Stelle anders entschieden hätte.